Wir machen einen organisierten Ausflug in den Los Haitises Nationalpark. Mit zwei weiteren Pärchen werden wir um acht Uhr an der Hotelrezeption abgeholt. Ein gut gelaunter Fahrer mit schräger Baseball Cap fährt uns zu unserem Tourenanbieter.
Dort angekommen machen wir einen kurzen Stopp und bekommen in sächsischem Akzent von einem dürren, blondhaarigen Auswanderer, der mich an Ingolf Lück erinnert, die Tour nochmals in Kurzform zusammengefasst: „Wir fahren (also alle außer er) nach Samaná, wo wir am Hafen unseren Tourguide treffen. Dann geht es über die spiegelglatte See in den Nationalpark. Höhle, Vogelinsel, Mangroven…. Schön….schön….schön. Weiter zur Bacardi-Insel „Cayo Levantado“, auf der es alles gibt außer Bacardi *hahaha*. Bisschen baden, entspannen, Sonne tanken usw. usw.. Zum Abschluss wieder ans Festland zu einem typischen dominikanischen Strand. Die Überfahrt wird wahrscheinlich ein bisschen schauklig – wer was gegen Seekrankheit braucht bekommt gleich etwas von mir. Am Strand dann Musik hören, den Einheimischen beim Tanzen zuschauen, Bierchen trinken, Ausblick genießen. Das Wetter ist gut. Habt ihr Lust? Also los los los.“
Ein Boot voller Klischees
Unsere Reisegruppe macht den Anschein, als hätte sie jemand genau nach meinen Touri-Klischees zusammengestellt: Ein älteres Ehepaar mit Hut, Sonnenbrille und Flipflops. Helga vergewissert sich bei Rudolf immer wieder, ob er auch schon ein Foto gemacht hat. Das zweite Pärchen sieht schon auf den ersten Blick so aus, als ob sie direkt der Serie „The Big Bang Theorie“ entstiegen wären. Es ist ein Studentenpärchen auf der ersten großen Reise. Er in einem neongelben Funktionshirt – nicht gerade vorteilhaft bei unserer Fahrt in ein Feuchtgebiet, wo mit einem hohen Moskito-Aufkommen zu rechnen ist, die von solchen Farben regelrecht angezogen werden. Sie ist von der Technik, die mitgeschleppt wird, ein bisschen überfordert und vergewissert sich unzählige Male ob es ok ist, wenn die GoPro „eins null acht null P“ anzeigt. Angesprochen wird sich grundsätzlich mit „Schatz“.
Am Hafen angekommen dauert es ca. 20 Minuten bis unserer deutschsprachiger Tourguide gefunden ist. Weitere 15 Minuten bis der Kapitän des kleinen Bootes abfahrtbereit ist. In der Zwischenzeit hat sich noch ein weiteres polnisches Pärchen zu uns gesellt. Es ist aufgrund der Sprachbarriere die meiste Zeit sehr ruhig.
Mit dem Boot im Los Haitises Nationalpark
Dann geht es also los. Die See ist tatsächlich spiegelglatt. Das Wetter ist leider ein bisschen diesig aber es wird im Laufe des Tages noch aufklaren. Als erstes fahren wir die Höhle an. Hier gibt es drei Kammern zu sehen. Ebenso die versprochenen Wandmalereien der Uhreinwohner – wir finden immerhin drei Zeichen. Die Höhle finde ich sehr schön. Sie ist ca. 17 Meter hoch – die vom Guide genannten 70 Meter sind es auf keinen Fall.
Den Ausführungen unseres Tourguides kann ich nicht so Recht folgen. Ganze Sätze hören sich bei ihm wie ein einziges zusammenhängendes Wort an. Er spricht wohl Deutsch, aber es könnte auch jede andere Sprache sein.
Dass wir nicht viel verstehen ist uns aber egal. Wir freuen uns, dass er nicht meckert, wenn wir den von ihm eingeschlagenen Weg auch mal verlassen und uns von der Gruppe ein paar Meter entfernen, um Fotos zu machen.
Dann steigen wir alle wieder ins Boot und los geht die wilde Fahrt, kreuz und quer an den Vogelinsel vorbei. Richtig viele Pelikane können wir ganz aus der Nähe betrachten. Außerdem sichten wir Geier, Möwen und sogar Fregattvögel. Die winzigen, überall aus dem Wasser ragenden Inseln mit den Vogelschwärmen darauf und drum herum sind wirklich malerisch. Sie sehen fast so aus, als hätte sie Hollywood extra für den Filmdreh von „Fluch der Karibik“ als Kulisse ins Meer gebaut.
Der Reisende aus „The Big Bang Theorie“ vermeldet lauthals, dass er jetzt noch 21 Bilder machen kann, dann ist seine Speicherkarte voll. Seine Freundin erwidert leicht verzweifelt: “Schatz, was machen wir jetzt???“
Er: “Schatz, keine Problem, ich lösche einfach ein paar Bilder. … Schatz, jetzt kann ich wieder 31 Bilder machen!“
Sie: “Schatz, das ist ja gut“.
Später nehmen sie mein Angebot, ihnen eine Speicherkarte zu leihen, doch noch dankend an.
Weiter geht es zu einem Highlight der Tour – so wurde es uns versprochen: Die Mangroven des Los Haitises Nationalpark. Bei der Buchung des Ausfluges und auch noch einmal am morgen wurde uns gesagt, dass wir richtig weit in die Mangroven hineinfahren werden. Da wir mit einem sehr kleinen Boot unterwegs sind, kommen wir so tief wie kein anderes Ausflugsboot in das dichte Ökosystem. Dort ist eine Schweigeminute geplant, so dass wir die Ruhe und die Natur um uns herum richtig wahrnehmen können.
Leider soll es soweit nicht kommen. Schon am Rand der Mangroven stoppt uns ein Boot mit zwei Nationalparkwächtern. Ab sofort ist es mit jeglicher Ruhe vorbei. Laut, wild gestikulierend und sehr erbost diskutiert unser Tourguide mit den beiden Männern. Von dem hitzigen Spanisch verstehen wir leider so gut wie nichts.
Nach einer ganzen Weile bekommen wir gesagt, dass jedes Paar von uns 100 Pesos bezahlen muss. Das entspricht zwei Euro. Nun gibt es Aufruhr auf unserem Boot. Helga bezahlt 100 Pesos, ist aber sehr entrüstet: „Ja wer zahlt den jetzt noch? Ich zahl ja nicht für alle! Bekomm ich mein Geld auch wieder? Ich will mein Geld zurück! Wer zahlt mir das denn zurück? Und wann bekomme ich das wieder?“
Das Pärchen aus „The Big Bang Theorie“ versucht so zu tun, als wenn sie nichts gehört haben. Konzentriert wird auf die Kamera gestarrt. Auch wir finden es zwar nicht toll, überraschend zur Kasse gebeten zu werden. Aber wir wollen wegen zwei Euro kein Theater machen und zahlen. Viel wichtiger ist uns, dass wir jetzt endlich in die Mangroven fahren und die Natur dort aus der Nähe erleben können.
Unser Tourguide findet doch auch noch etwas Geld in seiner Tasche und wir bekommen die geforderten 500 Pesos zusammen. Die Parkwächter halten ihm Eintritts-Bändchen und eine Quittung entgegen. Beides nimmt er aber nicht entgegen. Unser Guide flucht lieber und befiehlt unserem Kapitän Gas zu geben. Mit Vollgas geht es dann aber nicht in die Mangroven – dort dürfen wir trotzdem nicht hin – sondern wieder hinaus aufs Meer. Unser Tourguide ist auf 180 und kann uns nicht erklären, was genau das Problem war. Sein Deutsch-Englisch-Spanisch ist wohl durch die Aufregung so schlecht, dass man überhaupt nichts versteht. Wir haben aber auch das Gefühl, dass er uns gar nicht sagen möchte, was wirklich Sache war.
Rettungswesten auf rauer See
Es geht weiter zur Bacardi Insel ohne Bacardi. Die Stimmung auf dem Boot ist angespannt. Passend dazu ist die See nun rauer und das Boot wird ganz schön durchgeschüttelt. Helga beginnt zu stöhnen. Der Tourguide stoppt das Boot und organisiert die Sitzordnung neu. Helga kommt ganz nach hinten.
Außerdem teilt er Rettungswesten aus – und motzt dabei ununterbrochen mit dem Kapitän, der die Westen wohl irgendwie falsch verstaut hat. Als das polnische Pärchen seine Rettungswesten direkt anlegen will, werden diese aber zurückgepfiffen: Es geht hier nicht um unsere Sicherheit, sondern um den Komfort. Wir sollen die Westen als Sitzkissen nutzen.
Helga beginnt ausführlich zu argumentieren, warum sie so nicht weiterfahren konnte. „Ihr sitzt hier ja im Wasser, das ist ja wie im Schaukelstuhl. Aber setz dich mal da vorne hin. Das klatscht das Boot immer wieder aufs Wasser. Das ist echt heftig. Das Wasser ist ja hart wie Beton. Immer wieder diese Schläge. Das hat mir im ganzen Körper immer wieder alles zusammengestaucht. Auch mein Kopf tut schon richtig weh…“ Es geht noch einige Minuten so weiter. Dann wird es wieder ruhig auf unserem Boot.
Unser Baby schläft ein. Plötzlich löst sich sein Hütchen und fliegt durch den Fahrtwind sofort aus dem Boot. Der Kapitän bekommt das mit und bremst. Helgas Puls schnellt wieder nach oben: „Was ist denn jetzt schon wieder los?!“ motzt sie aufgebracht. Als sie aber sieht, wie wir den Babyhut aus dem Wasser fischen, verstummt sie. Ohne weitere Zwischenfälle fahren wir zur Insel „Cayo Levantado“.
Bacardi Insel ohne Bacardi
Obwohl die Insel ein sehr beliebtes Ausflugsziel ist, ist außerhalb der Saison nicht viel los. Wir legen an einem Steg an, der gerade renoviert wird. Als erstes gehen wir gemeinsam zum Mittagessen, das in dem Ausflugspaket inkludiert ist. Unser Guide führt uns durch eine Souveniermeile. Da keine anderen Touristen da sind werden wir mit „den besten Angeboten“, „gucken kostet nix“ und „heute beste Preise“ bombardiert. Der Weg außenherum wäre schöner und schneller gewesen.
Beim Essen weist uns unser Guide ca. 100 Mal darauf hin, dass es hier den besten „Coco Loco“ sowie den hervorragendsten „Pina Colada“ zu trinken gibt. Während uns beim Buchen der Tour erzählt wurde, dass „nur“ alkoholfreie Getränke im Preis inbegriffen sind, weil man sich auf so einem Ausflug doch nicht betrinken sollte, wird nun mit allen Mitteln versucht uns ein Cocktail zu verkaufen. Ich fühle mich wie auf einer Kaffeefahrt. Also schnell essen und ab an den Strand. Dieser ist tatsächlich richtig schön.
Helga fragt Rudolf mehrfach ob er denn schon ein Bild gemacht habe und die Kollegen aus „The Big Bang Theorie“ filmen alles mit der Go Pro – und schwenken dabei kräftig zwischen Quer- und Hochformat. Wir haben nun etwa eine Stunde zur freien Verfügung und unsere Gruppe löst sich erst einmal auf.
Wir planschen im Meer, spielen am Strand mit dem Baby und genießen die Zeit. Sehr schade ist allerdings, dass nur ein sehr kleiner Teil der Insel für uns zugänglich ist. Auf dem Großteil steht ein Luxushotel und das Areal ist für Tagesgäste gesperrt.
Da aber nicht sehr viele Tagesgäste auf der Insel sind, ist auch am öffentlichen Strand genug Platz. Wir könnten hier stundenlang sitzen und die anderen Tagestouristen beobachten, wie sie in schlecht sitzenden Bikinis Bilder machen oder in sexy Posen von – natürlich nicht zu erwartenden Wellen – weggespült werden.
Die Zeit ist schnell vorbei und unsere Gruppe sammelt sich wieder, um zurück zum Boot zu gehen. Helga hat natürlich nur eine Sorge: Wie und wann sie ihre 100 Pesos wieder bekommt.
Auf dem Steg möchte sie, dass Rudolf noch ein Bild von der Insel macht. Der weigert sich, weil er ja bei der Ankunft schon eins gemacht hat. Die Stimmung: wieder angespannt. Wir nehmen die Sitzordnung „Helga hinten“ erneut ein und es geht bei rauerer See mit viel Gewackel, Geschaukel und Wasserspritzern zum letzten Tagesordnungspunkt – dem typisch dominikanischen Strand.
Abenteuer für Anfänger
Der Kapitän hat sichtlich Spaß uns durchzuschaukeln. Das Pärchen aus „The Big Bang Theorie“ ist freudig aufgeregt und ruft immer wieder „wow, das ist ein richtiger Abenteuerurlaub! Wahnsinn! So ein Abenteuer!“. Der Guide freut sich über ein bisschen Begeisterung auf unserem Boot und stimmt den beiden lautstark zu. Wir können das Ganze nicht so recht glauben und freuen uns drauf, den Tag am Strand zwischen Einheimischen ausklingen zu lassen.
Als wir dort ankommen ist von dem typisch dominikanischen Feeling allerdings nichts zu spüren. Keine Musik, keine Tänzer und auch keine Dominorunden direkt am Strand. Sogar der Wirt, der unmotiviert ein paar Plastikstühle aus einem Kabuff holt, muss erst noch gefunden werden. Ein paar Häuser weiter organisiert er dann noch Bier, das wir aus Plastikbechern trinken. Auch wenn statt beschwingender Musik nur eine Flex zu hören ist, ist die Stimmung eigentlich ganz entspannt.
Wir sind etwas enttäuscht, müssen aber spätestens dann wieder innerlich lachen, als Helga erneut von ihren 100 Pesos anfängt. Jetzt diskutiert sie mit dem Guide. Dieser ist plötzlich der Meinung, dass er ihr das Geld doch schon lange wieder zurückgegeben habe. Jetzt ist Helga richtig empört: „Habt ihr gesehen, wie er mir das Geld gegeben hat?“ Hat niemand. Eine längere Diskussion beginnt. Am Ende nimmt Helga triumphierend die 100 Pesos entgegen, die sie vom Tourguide überreicht bekommt. Der ist im Gegenzug so dreist sie einige Minuten später vor unserer Rückfahrt ins Hotel direkt zu fragen, wie es denn mit einem Trinkgeld für ihn aussieht. Helga findet das natürlich gar nicht witzig.
Auch wenn nicht alles optimal verlaufen ist und wir einige Highlights vermissen mussten, sind wir trotzdem froh, diesen Ausflug unternommen zu haben. Der Los Haitises Nationalpark ist es wirklich wert gesehen zu werden. Und das Pärchen aus „The Big Bang Theorie“ sowie Helga & Rudolf haben für zusätzliche Unterhaltung bei uns gesorgt.
Mehr zum Thema Ausflüge in der Dominikanischen Republik, wie man sie am besten bucht oder selbst organisiert.
Was ein super Bericht. Ich hab mich kaputt gelacht!
Liebe Grüße, Katha