Mit dem Bus durch Kerala – Städte, Strände und viel Sonne
Bericht zu meiner Reise 2004
Knarrend und quietschend scheppert der Bus über ein Schlagloch nach dem anderen. Die Straßen Indiens sind verschlissen und löchrig, doch den Busfahrer scheint das nicht zu stören. Er steuert sein rotes, rostiges Gefährt mit halsbrecherischer Geschwindigkeit um scharfe Kurven und durch enge Straßen.
Der wunderschöne Blick aus dem Busfenster lässt die beschwerliche Fahrt jedoch schnell vergessen. Auf der abwechslungsreichen und aufregenden Reise durch den südindischen Bundesstaat Kerala passiert der Bus verträumte Strände und exotischen Urwald, kleine Orte und große Städte.
Die Farbenpracht Indiens
Das erste Ziel der Reise ist die Stadt Kochi. Hier herrscht ein buntes Treiben und man weiß gar nicht, wo man zuerst hinsehen soll. Überall sind Menschen. Die Frauen tragen farbenfrohe Saris, typisch indische Kleider, die kunstvoll um den Körper geschlungen werden, und die kleinen Mädchen haben Blumen in den langen, schwarzen Haaren. Ein Gewürzbasar ist schon von weitem an den exotischen Gerüchen erkennbar, in einer belebten Straße werden bunte Stoffe und Schals verkauft und an den Obstständen gibt es Früchte in allen Formen und Farben.
Um von den vielen Eindrücken nicht gleich überwältigt zu werden, bietet sich zunächst der Besuch des Kathakali-Zentrums an. Dort kann man in entspannter Atmosphäre eine Aufführung genießen. Der Kathakali ist ein besonderer Tanz aus Kerala, der mit Theater und Musik kombiniert wird. Männer trommeln, eine Muschel wird geblasen und Frauen singen. Dann kommen die Tänzer auf die Bühne. Sie sind aufwendig mit Naturfarben geschminkt, in prachtvolle Kostüme gekleidet und gestalten eine unterhaltsame und spannende Aufführung.
Backwaters und Traumstände
Am nächsten Tag geht mit dem Bus in Richtung Süden. Die Kleinstadt Alappuzah ist die nächste Station der Reise. Hier beginnen die berühmten Backwaters, ein Wasserstraßennetz im Küstengebiet Keralas, das durch unzählige Lagunen, Flüsse, Kanäle und Seen entstand.
Bevor man jedoch die Wasserwege befährt, lohnt sich ein kleiner Ausflug zum arabischen Meer. Die Küste ist hier wunderschön und als besonderer Geheimtipp gilt ein kleines Fischerdorf, das ungefähr fünf Kilometer von der Stadt entfernt liegt.
Das Bild, das sich dort bietet, ist malerisch wie auf einer Postkarte. Weißer, weicher Sand, hohe Kokos-Palmen und strahlend blaues Wasser, das sich leicht in der lauen Abendbrise kräuselt. Gerade geht die Sonne langsam im Meer unter und ihre letzten Strahlen tauchen das geschäftige Treiben am Strand in ein weiches Licht und warme Farben. Fischer mit sonnengegerbter Haut kehren mit ihren kleinen, hölzernen Booten vom Meer zurück und entladen schwere Netze voller winziger Fische, die sie zum Trocknen im Sand ausbreiten. Darüber drehen große schwarze Vögel ihre Kreise und halten hungrig Ausschau nach unbeaufsichtigter Beute. Ihr Krähen und Krächzen unterbricht immer wieder die Stille, in der die Menschen ihrer Arbeit nachgehen. Es scheint, als wüsste jeder genau, was er als nächstes zu tun hat, was seine Aufgabe ist, damit die Boote noch vor der Nacht an Land gezogen werden können. Dann geht die Sonne unter und es wird schnell dunkel.
Nach Sonnenaufgang geht es am nächsten Morgen mit der Fähre durch die Backwaters. Mal sind die Kanäle klein und schmal, dann wieder geht es über große, weite Seen. Menschen steigen ein und aus. An einem Ufer waschen Frauen Geschirr und Kleidung im Flusswasser, an einem anderen Ufer wird auf einem Reisfeld gearbeitet.
Nach knapp drei Stunden ist die Fähre in Kottayam angelangt. Von hier geht es, wieder mit dem Bus, weiter nach Süden, in Richtung der Hauptstadt des Bundesstaates.
Auf dem Weg dorthin liegt noch ein Abstecher in die Berge. Pon Mudi ist eine Bergstation, die den Besuchern einen Einblick in den Teeanbau in Indien bietet und außerdem durch die gute Bergluft und eine tolle Aussicht besticht. Mit ein bisschen Glück sieht man hier auch Elefanten majestätisch durch das Unterholz schreiten.
Großstadt mit Strandnähe
Nach den kleineren Städtchen und der Ruhe in den Bergen wirkt die Landeshauptstadt Keralas, Thriuvananthapruam, umso größer, lauter und farbenfroher. Überall sind Menschen unterwegs. Sie gehen in den Tempel, oder einkaufen. Sie tragen Sachen zum Verkauf oder unterhalten sich einfach nur. Aber auch viele Bettler und Straßenkinder prägen das Stadtbild.
Wer gerne Besichtigungen unternimmt, kann sich in Thriuvananthapuram viel anschauen. Vor allem der große Sri Padmanabhaswamy Tempel ist sehr beeindruckend. Er steht im Zentrum der Stadt und ist durch seine Höhe und die kunstvollen Verzierungen weithin sichtbar. Das Innere dürfen zwar nur Hindus betreten, aber auch von außen ist der Tempel einen Besuch wert und wenn man Glück hat, kann man sogar den Künstlern im Nebengebäude beim Schnitzen von großen, hölzernen und bis ins Detail gestalteten Götterfiguren zusehen. In der Umgebung des Tempels befinden sich auch die Burg Thriuvananthapurams und einige alte Paläste.
In der Stadt ist es heiß und schwül und zur Abkühlung geht es mit dem Bus an den Strand von Kovalam. Dieser nur 16 Kilometer von der Hauptstadt entfernte Touristenort wird als einer „der schönsten Beach Resorts der Welt“ gepriesen, und das nicht zu unrecht. Der weiße Strand erstreckt sich über zwei Buchten und wird von Palmenbäumen gesäumt. Das Meer ist hier strahlendblau und leicht wellig, was großen Bade- und Surfspaß verspricht. Hinter dem Strand reihen sich unter den Palmen verschiedenste Restaurants und kleine Lädchen aneinander. Hier kommt jeder Gaumen auf seine Kosten, sei es bei frischem Papayasaft, oder bei, auf einem Banannenblatt serviertem, Reis mit typisch indischem Curry (scharfe Soßen mit verschiedenem Gemüse). Nach den langen Reisen der letzten Tage findet man hier seine wohlverdiente Erholung.
Wunderwerk Holzpalast
Dann beginnt auch schon der letzte Reiseabschnitt. Diesmal geht es – wieder mit dem öffentlichen Bus – in den benachbarten Bundesstaat Tamil Nadu und dort ganz an die Südspitze Indiens.
Auf dem Weg dorthin liegt der Padmanabhapuram Palast. Dieser riesige Palast besteht zu großen Teilen aus Teakholz, welches bis in die letzten Winkel kunstvoll verziert und geschnitzt ist. Riesige Säulen sind aus einem einzigen Stück Holz herausgearbeitet und eine Decke besteht aus über 90 verschieden geschnitzten Blumen. Daneben gibt es auch eine große Granithalle und traditionelle Wandmalerei zu bewundern. Zwischen den verschiedenen Gebäuden befinden sich kleine Innenhöfe. Sie sind voll von schwirrenden Libellen, die die ganze Luft in ein beständiges Brummen und Vibrieren versetzen.
Zum Schluss stellt sich den Besuchern noch eine kleine Herausforderung: die Schuhe, die, wie in fast allen Gebäuden in Indien, ausgezogen wurden, müssen vor der Tür unter hunderten Anderer wieder gefunden werden.
Das Ende des Kontinents
Dann ist es nicht mehr all zu weit und man kommt in Kanniyakumari an. An dieser südlichsten Stelle Indiens treffen sich die Bucht von Bengalen, der arabische und der indische Ozean. Hier geht die Sonne abends im Meer unter und morgens geht sie wieder aus dem Meer auf. Ein einmaliger Anblick für den sich das frühe Aufstehen lohnt: Unten am Strand machen sich die Fischer mit ihren kleinen Booten fertig, um in die See auszufahren. Das Meer ist noch etwas dunkelblau von der Nacht, kleine Wellen kräuseln sich und am Horizont wird es langsam hell. Erst hellblau, dann orange und schließlich geht die Sonne als ein knallroter Ball aus dem Meer auf.
Ein erstes Fischerboot schiebt sich in das idyllische Bild und wirft seinen langen Schatten über das Wasser. Dann wird der Himmel rosa und schließlich geht das Rot der Sonne in ein helles Gelb über. Ein neuer, heißer Tag in Indien beginnt.
Dieser lässt sich gut dazu nutzten um, nach einem genüsslichen Kokosnuss-Pfannkuchenfrühstück, den großen massiven Tempel in Kanniyakumari zu besuchen. Räucherstäbchen und Trommelklänge verbreiten hier eine fast mystische Stimmung und die Besucher dürfen sogar bis zum Allerheiligsten vordringen – ein winziger Raum mit einer bronzenen Götterfigur, die mit vielen Blumen-ketten geschmückt ist und von Öllampen beleuchtet wird.
Zum Schluss des Indienaufenthaltes darf ein Besuch des Gandhi-Mausoleums nicht fehlen. Das rosa Gebäude steht direkt am Meer und ist Innen mit vielen Fotos von Mahatma Gandhi geschmückt. Hier stand seine Asche zwei Wochen, bevor sie im Meer versenkt wurde. Ein schöner Ort, um Indien Lebewohl zu sagen.
Draußen ist es laut und lebhaft. Zum letzten Mal steigt man in einen indischen Bus ein. Wieder ist er rot und rostig und wieder holpert er mit großer Geschwindigkeit über die unebenen Straßen. Aber man hat sich schon ein bisschen an diese Fahrweise gewöhnt und kann den Blick ein letztes Mal aus dem Fenster schweifen lassen.